Ein Thema, das sehr viele Hochsensible beschäftigt und immer wieder – auch in meinen Coachings – auftaucht, ist das Thema Reizüberflutung. Wir sind täglich einer gewaltigen Informationsflut ausgesetzt, die selbst für Normalsensible oft schon sehr herausfordernd ist.
Da hochsensible Menschen (kurz HSP) jedoch die Welt um ein Vielfaches intensiver wahrnehmen, stellen viele Situationen bereits deutlich früher eine Herausforderung für sie dar.
Was versteht man unter Reizüberflutung?
Jeder Mensch hat ein sogeganntes optimales Erregungsniveau. Das ist jener Bereich, in dem man sich weder gelangweilt und unterfordert noch überfordert fühlt. Dieser Bereich ist bei jedem Menschen höchst individuell. Auffallend ist jedoch, dass bei vielen Hochsensiblen der Grat zwischen Unter- und Überstimulierung, also die sogennante Wohlfühlzone, oft sehr schmal ist und beispielsweise bereits ein kratzendes Ettikett sie unangenehm erregen und ihre Stimmung stark beeinflussen kann, während das Normalsensible hingegen vielleicht kaum oder gar nicht stören würde. Das erklärt auch, weshalb HSP schneller in die Zone der Reizüberflutung gelangen.
Als HSP gilt es also vor allem, die Balance zwischen zu wenig Reizen und zu vielen Reizen zu finden und zu halten – nicht immer ein leichtes Unterfangen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß!
Reizüberflutung könnte man definieren als einen Zustand, der eintritt, wenn mehr Reize auf uns einströmen, als wir momentan verarbeiten können. Da hochsensible Menschen mehr und intensiver wahrnehmen, neigen sie auch schneller dazu, von Reizen überrollt zu werden als die Mehrheit der Menschen.
Mit ein paar Tipps und guten Vorkehrungen lassen sich die Reize im Alltag jedoch gut reduzieren, sodass es auch bei Hochsensiblen seltener zu beeinträchtigenden Reizüberflutungen kommt.
Bevor wir zur den Tipps kommen, solltest du jedoch noch wissen, dass es verschiedene Arten von Reizüberflutung gibt:
3 Arten von Reizüberflutung bei Hochsensibilität
- Sensorische Reizüberflutung: bedeutet Reizüberflutung auf körperlicher Ebene. Diese wird durch zu viele bzw. intensive äußere Reize wie z.B. durch Lärm, Geräusche Gerüche, Farben, Licht oder auch Berührungen ausgelöst.
- Emotionale Reizüberflutung: z.B. nach einem Erlebnis, das starke Gefühle in dir ausgelöst hat (kann sowohl positiv als auch negativ sein!)
- Kognitive Reizüberflutung: wird durch zu viele Gedanken ausgelöst, zum Beispiel durch sehr viele Informationen, nach einem intensiven Arbeitstag/Seminar oder durch Gedankenkreisen/Grübeln
Nicht immer lässt sich in der Praxis ganz genau zwischen den verschiedenen Arten der Reizüberflutung trennen und das ist meines Erachtens auch gar nicht notwendig. Viel wichtiger ist, überhaupt zu erkennen, wenn man reizüberflutet ist (oder am besten schon davor ;-)), um entsprechend für Abhilfe sorgen zu können.
Im Idealfall erkennst du mit der Zeit bestimmte Muster wie Orte, Situationen, Begegnungen, die bei dir vermehrt zu Reizüberflutung führen und kannst diese dann entweder meiden oder zumindest reduzieren oder entsprechend vorsorgen (Stichwort Einkaufszentren meiden, Noise-Cancelling-Kopfhörer verwenden u.Ä.).
Wichtig ist mir an dieser Stelle jedoch auch zu erwähnen, dass Reizüberflutung nicht per se etwas Negatives darstellt, auch wenn der Begriff stark negativ konnotiert ist und auch meist in diesem Zusammenhang verwendet wird.
Positive vs. negative Reizüberflutung bei Hochsensibilität
„Nicht nur die Quantität an Reizen ist entscheidend, sondern auch die Qualität.“
Man denke beispielsweise an einen sehr schönen Urlaub, an berührende Worte, ein tiefgründiges Gespräch oder einen Ausflug in die Natur – all diese Ereignisse können bei Hochsensiblen sehr intensive positive Gefühle wie Freude, Glück oder Dankbarkeit auslösen und ebenso lange nachhallen und somit zu Reizüberflutung führen.
Ich erinnere mich beispielsweise noch an meinen Adrenalinausstoß, nachdem ich zum ersten Mal in meinem Leben Paragleiten war. Ich war etwa eine Woche komplett im Ausnahmezustand – im positivsten Sinne. 😉
Aber vielleicht fragst du dich noch, woran du überhaupt erkennen kannst, ob du reizüberflutet bist? Daher habe ich dir hier nun ein paar der häufigsten Anzeichen, an denen du erkennen kannst, dass du reizüberflutet bist, zusammengestellt. (Da Hochsensibilität keine Krankheit oder Störung ist, spreche ich nicht von Symptomen, sondern von Anzeichen oder Merkmalen.)
15 Anzeichen für Reizüberflutung – Daran kannst du erkennen, ob du reizüberflutet bist
- Gereiztheit
- Innere Unruhe & Nervosität
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Du hast Mühe, neue Informationen aufzunehmen („Das Fass ist voll“, „Es geht nichts mehr rein“)
- Müdigkeit & Erschöpfung
- Schwierigkeiten, Prioritäten zu setzen / den Fokus zu halten
- Überdrehtheit & „Aufgekratztsein“
- Ein- und/oder Durchschlafprobleme
- Wut / Aggression
- Gedankenkreisen
- Starkes Bedürfnis nach absoluter Ruhe, Rückzug & Alleinsein
- Überforderung ( Gedanken wie „Mir ist das alles zu viel“, Ich will hier einfach nur weg“)
- Kopfschmerzen
- Emotionale Aufgewühltheit
- Starker Rededrang (vor allem bei extrovertierten HSP)
Selbstverständlich treffen nicht immer alle 15 Anzeichen gleichzeitig zu (das wäre dann ja sonst die Reizüberflutung der Reizüberflutung :D). Am besten beobachtest du mal, welche Merkmale bei dir vermehrt auftreten und vor allem, wann.
Je nachdem, wodurch die Reizüberflutung ausgelöst wurde und welche Auswirkungen sie bei mir hat, habe ich mit der Zeit die verschiedensten Methoden, Techniken und Tools für mich gefunden, die mir helfen. Nachstehend verrate ich dir daher meine 9 besten Tipps bei Reizüberflutung:
9 Tipps bei Reizüberflutung - So kannst du selbst für Abhilfe sorgen
Tipp #1: Nimm dir Zeit zur Verarbeitung
Besonders nach einem aufwühlenden Gespräch, einer neuen Aktivität oder einem ereignisreichen Tag, braucht das hochsensible System Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten. Das heißt, dass ich mich nach einem intensiven Erlebnis, Tag oder Gespräch NICHT unmittelbar ins Bett legen und erwarten kann, sofort friedlich einzuschlafen.
Das heißt, ich plane mir bewusst genügend Zeit am Abend zum „Runterfahren“ ein.
In dieser Zeit füttere ich mich möglichst NICHT mit neuen intensiven Reizen, da das die Verarbeitungszeit nur noch verlängern würde. Es ist Ent-Spannung angesagt ;-)
Tipp 2: Pausen zwischendurch
Gerade wenn du tagsüber keine Pausen hattest und somit keine Zeit, Gespräche oder Erlebnisse zwischendurch für dich einzuordnen und zu verarbeiten, kann es passieren, dass sich bis zum Abend sehr viel aufgestaut hat. Ich empfehle daher, immer wieder mal zwischendurch Pausen einzulegen, in denen man alleine ist, eine Runde an der frischen Luft spazieren geht und in denen der hochsensible Geist eine Auszeit bekommt. Das kann auch bedeuten, mal einen Abendtermin abzusagen und sich stattdessen Ruhe zu gönnen.
„Ich sage nicht Nein, weil ich so busy bin, sondern damit ich nicht immer busy bin.“
Tipp #3: Journaling
Vor allem bei kognitiver Reizüberflutung, also wenn mein Kopf übervoll ist, hilft es mir manchmal, meine Gedanken niederzuschreiben. Ich schreibe dann meist einfach wild drauf los und notiere alles, was mir gerade in den Sinn kommt (= expressives Schreiben).
Tipp #4: Stille & Rückzug
Vor allem bei sensorischer Reizüberflutung hilft mir der totale Rückzug, die Stille und Ruhe. Also beispielsweise nach einem Einkaufsbummel, Aufenthalt in einem lauten Restaurant oder vielen sozialen Kontakten freue ich mich auf mein ruhiges Zuhause und das Alleinsein. Meist wirkt die absolute Stille im Außen bereits nach kurzer Zeit sehr wohltuend und ich fühle mich wieder ausgeglichen.
Tipp #5: Tiere
Vor allem wenn mein System stark übererregt ist, beruhigen mich Tiere ungemein. Sie zu beobachten und zu streicheln, mit ihnen zu reden oder zu kuscheln – ich liebe es einfach, Zeit mit Tieren zu verbringen. Sie haben immer so einen wohltuenden Effekt auf mich, den ich bei Reizüberflutung auch bewusst für mich nutze.
Tipp #6: Natur
Wenn du mir schon länger folgst, dann weißt du es vermutlich bereits: Ich liebe es, wandern zu gehen und Zeit in der Natur zu verbringen. Das ist mein All-Time-Favorite-Heilmittel für fast alles. 😅 Besonders aber bei Stress, Überforderung und Übererregung kann ein Spaziergang im Wald oder eine Bergwanderung wahre Wunder bewirken.
Tipp 7: Bewegung
Ist ein längerer Aufenthalt in der Natur gerade nicht möglich, hilft mir auch moderate Bewegung zuhause (z.B. tanzen) oder ein kurzer Spaziergang an der frischen Luft.
Tipp 8: Aktivitäten mit den Händen
Ebenfalls extrem beruhigend für das hochsensible Nervensystem (oder zumindest für meines) sind Beschäftigungen mit den Händen wie z.B. malen, Handlettering, kochen oder backen. Gerade wenn ich sehr übererregt bin, hilft es mir sehr, meinen Fokus nur auf eine Sache zu lenken.
Und last, but not least:
Tipp #9: Digital Detox
Alleine beim Ansehen eines Reels auf Instagram werden durch Ton, Untertitel und Bewegtbild gleich mehrere Sinnesreize gleichzeitig angesprochen. Wann immer ich bereits im Ausnahmezustand bin, ist Digital Detox auf jeden Fall förderlich, um wieder bald mein optimales Erregungsniveau zu erreichen.
Und zum Abschluss habe ich dir noch ein paar kraftvolle Affirmationen zum Thema Reizüberflutung mitgebracht:
Affirmationen zum Thema Reizüberflutung
• Ich darf jederzeit gehen, wenn mir eine Situation zu viel wird. Ich bin schließlich kein Baum, ich kann mich bewegen. 😉
• Ich alleine entscheide, was und wie viel gut für mich ist.
• Ich erlaube mir, Termine oder Treffen abzusagen, wenn sie mir gerade zu viel sind oder mir nicht gut tun.
Ich hoffe, dieser Beitrag war hilfreich für dich und du konntest dir etwas für dich mitnehmen.
Wenn du nun gerne tiefer gehen möchtest, dann lade ich dich ganz herzlich zum Workshop „Controlling the firework – Umgang mit Reizüberflutung als HSP“ am 3. März 2024 ein. Dieser Workshop ist Teil der HSP-Community 2024 und entweder einzeln oder als Paket zusammen mit anderen Workshops buchbar.
Solltest du noch Fragen oder Unklarheiten haben oder einen Chemie-Call buchen wollen, dann melde dich gerne jederzeit bei mir. Ich freue mich auf deine Kontaktaufnahme!
Von Herzen alles Liebe
deine Julie