5 Gründe, warum Hochsensible zu Perfektionismus neigen + Tipps
1. Perfektionismus als Schutzstrategie
Perfektionismus dient Hochsensiblen (unbewusst) als Schutzstrategie, um etwaige Konflikte, unangenehme Gefühle und etwaige negative Konsequenzen zu vermeiden. Denn wer immer alles „richtig“ und „perfekt“ macht, bietet anderen keine oder kaum Angriffsfläche. Denn wo keine Fehler passieren, gibt es auch nichts zu kritisieren. Es ist somit der Versuch, Harmonie und Ruhe herzustellen bzw. zu bewahren.
Paradoxerweise passiert jedoch genau das Gegenteil, denn im Inneren sieht die Welt eines hochsensiblen Perfektionisten / einer hochsensiblen Perfektionistin alles andere als ruhig und harmonisch aus. Alleine diesen Trugschluss zu erkennen, dass nicht noch höhere Ansprüche, noch mehr Perfektionsstreben und noch mehr Bemühungen die langersehnte Ruhe bringen, sondern Selbstmitgefühl, Nachsicht und eine größere Fehlertoleranz.
Denn ein Fehler ist nur dann eine Katastrophe, wenn mein kompletter Selbstwert davon abhängt, immer alles richtig und perfekt machen zu müssen.
3 Affirmationen, die dir dabei helfen können, nachsichtiger mit dir selbst umzugehen:
- Auch wenn ich nicht perfekt bin, achte, liebe und schätze ich mich so, wie ich bin.
- Auch wenn ich einen Fehler mache, bin und bleibe ich liebevoll mit mir verbunden.
- Ich gebe täglich mein Bestes und das ist IMMER GUT GENUG.
2. Bedürfnis nach Sicherheit
Hochsensible Menschen haben ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Sicherheit kann man auf zwei Arten im Leben gewinnen: entweder über Kontrolle oder über Vertrauen.
Perfektionsstreben ist der Versuch, Sicherheit über Kontrolle herzustellen. Alles vorab perfekt zu planen, alle Eventualitäten gedanklich durchzuspielen und sich auf sämtliche etwaige (Horror-)Szenarien vorzubereiten, gibt Hochsensiblen ein Gefühl von Sicherheit. Der Preis dafür ist allerdings extrem hoch: Denn der Anspruch immer ALLES bedenken zu müssen und auf alles perfekt vorbereitet sein zu müssen, ist nicht nur extrem anstrengend, sondern kostet auch viel Zeit, zumal von den 100 vorbereiteten Szenarien in der Realität – wenn überhaupt – nur maximal 1-2 wirklich eintreten und man somit sehr viel Energie und Zeit umsonst verschwendet hat.
Gerne teile ich daher einen Schlüsselsatz mit dir, der auch mir vor vielen Jahren sehr geholfen hat:
Ich suche keine Lösungen für Probleme, die noch nicht da sind, sondern vertraue darauf, immer eine Lösung zu finden, wenn ein Problem da ist.
3. Vermeidung unangenehmer Gefühle
Hochsensible sind sehr selbstkritisch. Da mit einem Fehler oft starke Selbstzweifel und Selbstvorwürfe zusammenhängen, die nicht selten auch noch eine Kaskade an weiteren negativen Gedanken und Gefühlen bis hin zu körperlichen Symptomen nach sich ziehen, versuchen HSP den Auslöser für einen solchen negativen Teufelskreis, also Fehler, tunlichst zu vermeiden.
Tipp: Anstatt immerzu penibelst darauf zu achten, ja keine Fehler zu machen, empfehle ich dir, lieber daran zu arbeiten, nachsichtiger mit dir selbst und Fehlern umzugehen. Denn Fehler sind nun mal menschlich und passieren hin und wieder. 😉
3 Gedanken, die dir dabei helfen können:
- Fehler sind Helfer (wenn man die Buchstaben vertauscht ;-)).
- Ich erlaube mir, Fehler zu machen, aus ihnen zu lernen und es beim nächsten Mal anders zu machen.
- Ich liebe mich auch dann, wenn ich glaube, es am wenigsten verdient zu haben, denn genau dann brauche ich es am allermeisten.
4. Hohe Fehlersensibilität und Wahrnehmungsverzerrung
Hochsensible haben sehr feine Antennen und bemerken aufgrund ihrer sehr hohen Wahrnehmungsfähigkeit oft kleinste Abweichungen und Unstimmigkeiten, die anderen (Normalsensiblen) oftmals gar nicht auffallen (würden). Zudem denken sie oft sehr vielschichtig und umfassend und berücksichtigen dabei viele Details, die anderen entgehen. Dadurch haben sie auch ein besonderes Radar für Fehler. Diese Fähigkeit ist beispielsweise als Lektorin beim Korrigieren von Texten extrem hilfreich, kann allerdings in anderen Situationen zu einer Wahrnehmungsverzerrung führen. Dies kann sich beispielsweise dadurch bemerkbar machen, dass man selbst glaubt, eine Präsentation sei noch lange nicht fertig oder gar perfekt, andere Menschen hingegen bereits mehr als zufrieden damit sind. 😉
Tipp: Hier kann es hilfreich sein, sich immer wieder bewusst zu machen, dass andere Menschen meist bei Weitem nicht so hohe Erwartungen an uns haben wie wir HSP an uns selbst.
5. Mangelnde Prioritätensetzung
Nun ist es so, dass Perfektionismus per se ja gar nichts Schlechtes ist – vorausgesetzt, man weiß ihn auch zu zähmen und zu bändigen.
Es gibt Situationen, in denen der Perfektionismus hilfreich oder sogar notwendig ist, zum Beispiel als Chirurg. Niemand möchte schließlich einen Arzt, der bei der OP nur 80 Prozent gibt, oder? 😉
Und dann gibt es Situationen, in denen der Perfektionismus hinderlich ist oder sogar krank machen kann. Wenn du vom Einkauf über jede E-Mail bis hin zum Sport alles mit derselben Intensität betreibst wie eine Herz-OP, ist es kein Wunder, wenn du oft extrem ausgelaugt bist.
Eben weil Hochsensible so enorm viel wahrnehmen, fällt es ihnen oft schwer, die wichtigeren von den unwichtigeren Informationen zu trennen. Oftmals herrscht schlichtweg nur Chaos und Reizüberflutung und alles scheint gleich wichtig zu sein. Hochsensible müssen daher lernen, Prioritäten zu setzen.
Nicht alles muss immer sofort erledigt werden, nicht alles muss mit demselben Engagement und Perfektionsstreben erledigt werden und vielleicht muss auch nicht alles alleine oder selbst erledigt werden, sondern kann delegiert oder aufgeteilt werden oder man holt sich Unterstützung.
Tipp: Es gilt also unterscheiden zu lernen, in welchen Bereichen und Situationen dein Perfektionismus hilfreich, förderlich oder unentbehrlich für dich ist und in welchen er dich blockiert oder sogar gesundheitsschädigend ist.
Aja und nur, damit es hier zu keinen Missverständnissen kommt: Nur, weil du dich in manchen Bereichen mit 99 Prozent zufrieden gibst (um gesund zu bleiben!), bist du nicht weniger wert und noch immer ein sehr gewissenhafter und genauer Mensch mit hohen Standards. 😉
Du möchtest gerne tiefer gehen und wünschst dir Unterstützung beim Thema Perfektionismus?
Dann lade ich dich ganz herzlich zu meinem Workshop „Fighting Impostor – Umgang mit Perfektionismus und Selbstzweifeln“ am Sonntag, 4. August 2024 ein.
Selbstverständlich ist es auch möglich, das Thema in einem 1:1-Coaching zu bearbeiten. Falls wir uns noch nicht kennen, kannst du dir dafür gerne hier einen Termin für ein unverbindliches kostenloses Erstgespräch buchen.
Ich freue mich auf deine Kontaktaufnahme!
Alles Liebe
Deine Julia